Rüdiger Funiok,
Professor für für Kommunikationswissenschaft, Pädagogik und
Erwachsenen-pädagogik an der Hochschule für Philosophie in München, hat insgesamt neun Ethik-Probleme der
Online-Kommunikation identifiziert (vgl. Funiok 2007: 179). Dieser
Blogpost klärt kurz, welche Probleme auf die ACTA-Debatte zutreffen.
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Das erste von Funiok
beschriebene medienethische Problem ist das der „Beschränkung der
Meinungs- und Informationsfreiheit“ (vgl. ebd. 2007: 179). Diese
Beschränkung kann im Laufe der ACTA-Verhandlungen auf zweierlei
Weise nachgewiesen werden. Zum einen, wie oben dargestellt, hätte
ACTA zu vermehrten Strafverfolgungen und stärkerer Kontrolle von
Seiten der Provider und der Regierungen führen können. In Folge
hätten Strafverfolgungen unter anderem auch politisch motiviert sein
können, was wiederum eine Einschränkung der Meinungsfreiheit nach
sich gezogen hätte. Auch die mögliche Kontrolle von Informationen
im Zuge eines ACTA-Abkommens hätte zu Problemen im Sinne von Funiok
führen können: Wer darf welche Informationen aus welchem Grund
haben bzw. weitergeben? Kann man durch eine ständige Kontrolle des
Internets noch von
Meinungs- und
Informationsfreiheit sprechen?
Zum anderen beschränkte
auch die lobbyistische Einflussnahme der VerbandsvertreterInnen und
deren exklusiver Zugang zu politischen Entscheidungsträgern diese
Freiheiten. Inhalte der geführten Lobbygespräche waren und sind
nicht öffentlich zugänglich, sodass mögliche Interessenkonflikte
nur in Ausnahmefällen sichtbar werden und somit auch in diesem
Zusammenhang nicht von einer Informationsfreiheit gesprochen werden
kann. Wenn politische Entscheidungsträger vor allem auf
Informationen von Lobbyisten der Unterhaltungsindustrie
zurückgreifen und auf der anderen Seite keine Interessenvertretung
durch das wahlberechtigte Volk zulassen, kann auch nicht von einer
wirklichen Meinungsfreiheit gesprochen werden, da an der
entscheidenden Stelle, an der politische Entscheidungen getroffen
werden sollten, nur die Meinung der Industrievertreter zählt. Mit
dem Aufkommen der späteren Massenproteste veränderte sich dieses
Bild, da die politischen Entscheidungsträger durch die Anerkennung
der Proteste auch schrittweise eine gewisse Form von Meinungsfreiheit
zuließen.
Der zweite von Funiok
beschriebene Bereich umfasst die "Achtung vor dem
Selbstbestimmungsrecht über die Daten zur eigenen Person"
(ebd. 2007: 179). Diese Debatte um den Datenschutz findet sich
ebenfalls zu großen Teilen in der ACTA-Debatte wieder. Durch
mögliche neue Überwachungsmethoden der Provider und deren
Fähigkeit, Dateien zu kontrollieren, würde der Datenschutz der
Internetnutzer nicht mehr gewährleistet sein. Der Nutzer könnte in
diesem Falle nicht mehr selbst bestimmen, welche persönlichen Daten
oder Dateien zum Schutz seiner Privatheit nicht weitergegeben oder
kontrolliert werden.
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Funioks dritter Punkt der
Urheberrechte ist in dieser Betrachtung von ACTA und dem Lobbyismus
in gleicherweise von Bedeutung: Die Urheberrechtsdebatte bezieht
Funiok zum einen auf die private Nutzung (vgl. ebd. 2007: 179) und
zum anderen auf die sog. „Sozialpflichtigkeit geistigen Eigentums“
(ebd. 2007: 179), d.h. dass man während des Gebrauchs des privaten
Eigentums das Gemeinwohl nicht aus den Augen verliert und dieses
nicht schädigt. Vielmehr soll das Gemeinwohl zusätzlich
unterstützt werden. Durch ein internationales Abkommen im Sinne von
ACTA sollten die Urheberrechte der Plattenfirmen und Musikmarken
gestärkt und länderübergreifend geschützt werden.
Produktpiraterie und -imitate, sowie illegale Downloads sollten durch
internationale Schutzrechte für geistiges Eigentum eingeschränkt
werden. Das Einführen dieser Schutzrechte bedeutet allerdings nicht
zwangsläufig, dass das Gemeinwohl beschränkt wird. Denn es scheint
sehr fragwürdig, dass illegale Downloads und freier Zugang zu
jeglichem geistigen Eigentum durch das Gut Gemeinwohl gedeckt sind.
Gemeinwohl bedeutet in diesem Zusammenhang eher die generelle
Möglichkeit des Zugangs zu geistigem Eigentum und nicht die
kostenfreie Nutzung dessen. Medienethisch problematisch ist in diesem
Sinne folglich eine barrierefreie Zugriffsmöglichkeit. Eine Debatte
um die Kostenpflichtigkeit und damit auch die mögliche Illegalität
der Nutzung bestimmter Dienste ist unabhängig von der angesprochene
Zugänglichkeit zu führen.
Diese "allgemeine
und preisgünstige Zugänglichkeit zu Software und Informationen"
(ebd. 2007: 179) im Sinne Funioks wäre durch ACTA berührt worden.
Durch eventuelle Urheberrechtsbeschränkungen hätten grundlegende
Informationen und Software blockiert bzw. deren Zugänglichkeit
eingeschränkt werden können. Im einem weiteren Verständnis hätte
dieser Gedanke sogar noch realere Konsequenzen haben können, denn
durch ACTA und dessen vorgesehenen Urheberrechtsschutz hätten sich
unter anderem auch die Zugangsmöglichkeiten zu lebenswichtigen
Medikamenten verändert (Amnesty International 2012).
Die weiteren Ethik-Probleme Funioks können ebenfalls auf die ACTA-Debatte angewandt werden, sind jedoch nicht von zentraler Bedeutung.
Literatur:
Amnesty International (2012): EU DARF ACTA NICHT UNTERZEICHNEN, in: http://www.amnesty.de/2012/2/14/eu-darf-acta-nicht-unterzeichnen?destination=startseite, zugegriffen am 22.12.2012.
Funiok, Rüdiger (2007): Medienethik. Verantwortung in der Mediengesellschaft. Stuttgart: Kohlhammer.