Samstag, 22. Dezember 2012

ACTA & Lobbyismus - Ethik-Probleme der Online-Kommunikation?


Rüdiger Funiok, Professor für für Kommunikationswissenschaft, Pädagogik und Erwachsenen-pädagogik an der Hochschule für Philosophie in München, hat insgesamt neun Ethik-Probleme der Online-Kommunikation identifiziert (vgl. Funiok 2007: 179). Dieser Blogpost klärt kurz, welche Probleme auf die ACTA-Debatte zutreffen.

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Das erste von Funiok beschriebene medienethische Problem ist das der „Beschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit“ (vgl. ebd. 2007: 179). Diese Beschränkung kann im Laufe der ACTA-Verhandlungen auf zweierlei Weise nachgewiesen werden. Zum einen, wie oben dargestellt, hätte ACTA zu vermehrten Strafverfolgungen und stärkerer Kontrolle von Seiten der Provider und der Regierungen führen können. In Folge hätten Strafverfolgungen unter anderem auch politisch motiviert sein können, was wiederum eine Einschränkung der Meinungsfreiheit nach sich gezogen hätte. Auch die mögliche Kontrolle von Informationen im Zuge eines ACTA-Abkommens hätte zu Problemen im Sinne von Funiok führen können: Wer darf welche Informationen aus welchem Grund haben bzw. weitergeben? Kann man durch eine ständige Kontrolle des Internets noch von
Meinungs- und Informationsfreiheit sprechen?
Zum anderen beschränkte auch die lobbyistische Einflussnahme der VerbandsvertreterInnen und deren exklusiver Zugang zu politischen Entscheidungsträgern diese Freiheiten. Inhalte der geführten Lobbygespräche waren und sind nicht öffentlich zugänglich, sodass mögliche Interessenkonflikte nur in Ausnahmefällen sichtbar werden und somit auch in diesem Zusammenhang nicht von einer Informationsfreiheit gesprochen werden kann. Wenn politische Entscheidungsträger vor allem auf Informationen von Lobbyisten der Unterhaltungsindustrie zurückgreifen und auf der anderen Seite keine Interessenvertretung durch das wahlberechtigte Volk zulassen, kann auch nicht von einer wirklichen Meinungsfreiheit gesprochen werden, da an der entscheidenden Stelle, an der politische Entscheidungen getroffen werden sollten, nur die Meinung der Industrievertreter zählt. Mit dem Aufkommen der späteren Massenproteste veränderte sich dieses Bild, da die politischen Entscheidungsträger durch die Anerkennung der Proteste auch schrittweise eine gewisse Form von Meinungsfreiheit zuließen.
Der zweite von Funiok beschriebene Bereich umfasst die "Achtung vor dem Selbstbestimmungsrecht über die Daten zur eigenen Person" (ebd. 2007: 179). Diese Debatte um den Datenschutz findet sich ebenfalls zu großen Teilen in der ACTA-Debatte wieder. Durch mögliche neue Überwachungsmethoden der Provider und deren Fähigkeit, Dateien zu kontrollieren, würde der Datenschutz der Internetnutzer nicht mehr gewährleistet sein. Der Nutzer könnte in diesem Falle nicht mehr selbst bestimmen, welche persönlichen Daten oder Dateien zum Schutz seiner Privatheit nicht weitergegeben oder kontrolliert werden.
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Funioks dritter Punkt der Urheberrechte ist in dieser Betrachtung von ACTA und dem Lobbyismus in gleicherweise von Bedeutung: Die Urheberrechtsdebatte bezieht Funiok zum einen auf die private Nutzung (vgl. ebd. 2007: 179) und zum anderen auf die sog. „Sozialpflichtigkeit geistigen Eigentums“ (ebd. 2007: 179), d.h. dass man während des Gebrauchs des privaten Eigentums das Gemeinwohl nicht aus den Augen verliert und dieses nicht schädigt. Vielmehr soll das Gemeinwohl zusätzlich unterstützt werden. Durch ein internationales Abkommen im Sinne von ACTA sollten die Urheberrechte der Plattenfirmen und Musikmarken gestärkt und länderübergreifend geschützt werden. Produktpiraterie und -imitate, sowie illegale Downloads sollten durch internationale Schutzrechte für geistiges Eigentum eingeschränkt werden. Das Einführen dieser Schutzrechte bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass das Gemeinwohl beschränkt wird. Denn es scheint sehr fragwürdig, dass illegale Downloads und freier Zugang zu jeglichem geistigen Eigentum durch das Gut Gemeinwohl gedeckt sind. Gemeinwohl bedeutet in diesem Zusammenhang eher die generelle Möglichkeit des Zugangs zu geistigem Eigentum und nicht die kostenfreie Nutzung dessen. Medienethisch problematisch ist in diesem Sinne folglich eine barrierefreie Zugriffsmöglichkeit. Eine Debatte um die Kostenpflichtigkeit und damit auch die mögliche Illegalität der Nutzung bestimmter Dienste ist unabhängig von der angesprochene Zugänglichkeit zu führen.
Diese "allgemeine und preisgünstige Zugänglichkeit zu Software und Informationen" (ebd. 2007: 179) im Sinne Funioks wäre durch ACTA berührt worden. Durch eventuelle Urheberrechtsbeschränkungen hätten grundlegende Informationen und Software blockiert bzw. deren Zugänglichkeit eingeschränkt werden können. Im einem weiteren Verständnis hätte dieser Gedanke sogar noch realere Konsequenzen haben können, denn durch ACTA und dessen vorgesehenen Urheberrechtsschutz hätten sich unter anderem auch die Zugangsmöglichkeiten zu lebenswichtigen Medikamenten verändert (Amnesty International 2012).

Die weiteren Ethik-Probleme Funioks können ebenfalls auf die ACTA-Debatte angewandt werden, sind jedoch nicht von zentraler Bedeutung.


Literatur:

Amnesty International (2012): EU DARF ACTA NICHT UNTERZEICHNEN, in: http://www.amnesty.de/2012/2/14/eu-darf-acta-nicht-unterzeichnen?destination=startseite, zugegriffen am 22.12.2012.

Funiok, Rüdiger (2007): Medienethik. Verantwortung in der Mediengesellschaft. Stuttgart: Kohlhammer.

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